Dies + Das
Dies + Das
 

      Willkommen auf der HP von Erhard Neumann

 

               ALS "SCHEICH" UNTERWEGS VON HAMBURG NACH LÜDENSCHEID

 

Wer viel uneterwegs ist, und weit herumkommt, dem fällt auch allerhand Unsinn ein. Wenn sich dann auch noch Gleichgesinnte unter den Freunden an Bord finden lassen, sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. 

Die zahlreichen und langen Abende auf See sind geradezu wie geschaffen dafür, sich Späße auszudenken, die man entweder gleich, oder aber zu einem späteren Zeitpunkt an Land, umsetzen kann. Mich hat Afrika an sich und die Arabische Welt im Besonderen immer in ihren Bann gezogen und so war es ganz normal, dass  im Laufe der Zeit die vielfältigen bunten Basare mit den fremdartigen Gerüchen, den Händlern, die an einem Geschäft erst Gefallen finden konnten, wenn sie zuvor mit theatralischer Gestik den Preis ausgiebig verhandelt hatten, dies alles übte eine besondere Anziehungskraft auf mich aus. Es waren weniger die Waren, die man dort erstehen konnte, als die dort herrschende Orientalische Atmosphäre, die diesen Reiz ausmachten. Dass ich aber von den dort gekauften Andenken so gut wie nichts mit nach Hause brachte, lag eindeutig an meiner Gutmütigkeit. Regelmäßig ließ ich mir die Sachen von Bekannten und Freunden wieder abschwatzen, indem sie argumentierten: Du kommst doch sicher wieder dorthin und kannst es nochmals besorgen, aber wir...?

Manfred, mein Kumpan an Bord, stammte aus Lüdenscheid und wir fühlten uns in besonderer Weise freundschaftlich verbunden. Auch er war kein Kind von Traurigkeit und somit für jeden Spaß schnell zu begeistern. Wir hatten etwa zur selben Zeit auf dem Schiff angeheuert, waren mittlerweile knapp 10 Monate an Bord und planten deshalb zum Einlaufen Hamburg gemeinsam wieder abzumustern. Ich pflegte meinen Urlaub in der Regel in Hamburg zu verbringen, versprach ihm aber, ihn für zwei Wochen nach Lüdenscheid zu begleiten, zumal er künftig an Land bleiben sollte, um fortan im elterlichen Betrieb zu arbeiten, den er später mal zu übernehmen gedachte.

Für unsere bevorstehende gemeinsame Bahnfahrt von Hamburg nach Lüdenscheid, die wir als Araber verkleidet absolvieren wollten, galt es sich noch mit einigen unerlässlichen Dingen einzudecken. Eine Wasserpfeife befand sich bereits in meinem Besitz, aber es fehlten für unser Vorhaben noch solche Dinge wie ein Koffer, dem man durch viele Aufkleber in arabischer Schrift ansehen  sollte, wo seine Besitzer herkamen. Es war geplant den Koffer während der Fahrt zu öffnen und natürlich sollte er dann den Blick freigeben auf diverse Dessoues, verschiedene einzelne Damenschuhe und weitere eindeutige Utensilien aus der Damenwelt. Schließlich haben solche Landratten ja das Vorurteil, ein echter Scheich besitzt auch einen Harem. Ganz wichtig erschien uns auch der Kauf zweier Arabischer Zeitungen und wir fingen an unser Gehör besonders für die Arabische Aussprache zu trainieren. Wir gewöhnten uns an mit betonten Kehllauten ständig solche Wörter wie: Achmed, Machmut shabana usw. in unsere Gespräche einzuflechten. Ganz wichtig war noch die komplette Beschaffung Orientalischer Kleidung. Kurz, wir probten und übten mit großem Ernst und Eifer, damit unser Vorhaben kein Schlag ins Wasser würde.

Tja, und dann war es eines Tages soweit, der Spaß konnte beginnen. Unser echtes Gepäck hatten wir am Vorabend beim Hamburger Hauptbahnhof mit Ziel Lüdenscheid aufgegeben und rechtzeitig ein Taxi zum Schiff bestellt, das uns am nächsten Morgen mit unserer Ausrüstung zum Zug bringen sollte. Wir sahen so echt aus und fühlten uns auch so, dass wir selbst Zweifel bekamen, ob wir nicht vielleicht doch Araber seien. Unser Ziel nannten wir dem Taxifahrer in sehr gebrochenem Deutsch mit starkem Arabischem Akzent und ganz offensichtlich nahm er uns die orientalische Herkunft ab.

Im Zugabteil breiteten wir uns entsprechend aus, wie wir dies bei Orientalen so oft beobachtet und folglich einstudiert  hatten. Wir unterhielten uns mit viel Gestik aber mit nur wenigen arabisch klingenden Worten und zündeten zunächst die Wasserpfeife an. Die Mitreisenden begegneten uns mit Befremden und Zurückhaltung. Sie tuschelten anfänglich sehr verhalten jedoch mit zunehmender Dauer durchaus lauter, da sie vermutlich sicher waren, nicht verstanden zu werden und so waren wir sehr froh uns hinter den arabischen Zeitungen verschanzen zu können, denn die Kommentare, als wir den Blick in unseren Koffer freigaben, forderten unsere ganze Beherrschung, um nicht laut loslachen zu müssen. Es war einfach köstlich, selbst der Zugschaffner, der mit der Sorgfalt eines Deutschen Beamten, die Fahrkarten der Fahrgäste kontrollierte, verzichtete bei uns auf diese Amtshandlung, wohl, weil wir nicht aufschauten und er uns bei unserer Zeitungslektüre nicht stören wollte, oder weil die Mitreisenden ihm bedeuteten, dass wir ohnehin nur arabisch verstünden.

Wir zogen diese Nummer konsequent durch bis Lüdenscheid und flogen erst bei Manfreds Eltern auf, die ihren etwas verrückten Sohn mit seinem nicht minder verrückten Begleiter sehr schnell entlarvten, uns aber umso herzlicher willkommen hießen. Wir trugen diese Verkleidung übrigens noch zwei weitere Tage, bis Manfred alle seine Stammlokale aufgesucht und sich dort für immer von der Seefahrt zurückgemeldet hatte. Auch wenn man uns in Lüdenscheid nicht mehr für Scheichs hielt, so waren wir dort noch für einige Zeit "Stadtgespräch" wie mir später berichtet wurde.

 

                                                      + + +

 

 

NÄCHTLICHE  BELEIDIGUNG  DES  PROPHETEN

 

In welchem der zahlreichen Ostafrikanischen Häfen, die wir regelmäßig anliefen, es sich zutrug, kann ich nicht mehr sagen, der Vorfall an sich ist mir aber in Erinnerung, als wäre er gestern erst passiert.Wie üblich waren wir abends in einer kleinen Gruppe von drei bis vier Mann an Land gegangen, um in einer der meist spärlich vorhandenen Tanzbars nach Abwechslung zu suchen.

Der Abend nahm den gewünschten Verlauf, ein paar Runden auf der Tanzfläche, ein/zwei oder auch drei Drinks für das andere Geschlecht und natürlich ausgiebig Bier gegen den eigenen Durst. Da der Dienst an Bord  kein reines Honigschlecken ist, und man ihn wenigstens einigermaßen ausgeschlafen antreten sollte, brachen wir - es war schon deutlich nach Mitternacht - zu Fuß  in Richtung Hafen auf. Die Stimmung war gut und man diskutierte ausgiebig über den Ablauf des gelungenen Abends.

Jeder, der schon mal mehr Bier getrunken hat, als das obligatorische Gläschen zum Essen, weiß, dass dieser Gerstensaft einen gehörigen Druck in der Blase aufbaut und für das Afrikanische Bier galt das in besonderer Weise. Ich jedenfalls suchte schon krampfhaft die nähere Umgebung nach einem Ort ab, an dem ich mich dieses Druckes würde entledigen können. Die Auswahl an Gelegenheiten konnte geringer kaum sein. Rechter Hand war die Pier, an der aneinandergereiht wie an einer Perlenkette die Schiffe festgemacht hatten und linker Hand befanden sich die Lagerschuppen, versehen mit den üblichen Laderampen. Alles in nächtlicher Ruhe und eingetaucht in ein diffuses, schwaches gelblich schimmerndes Licht.

Durch meine Suche war mir die Gruppe enteilt und ich konnte sie zwar noch hören,  aber nicht mehr sehen. Eine Stelle unter einer Laderampe, die besonders spärlich beleuchtet war, schien mir zum Wasserlassen gut geeignet und so ließ ich mit dem Gefühl großer Erleichterung , meinem Bedürfnis freien Lauf. Plötzlich ertönte ein Gezeter, Geschrei, Gefluche und Geraschel in unmittelbarer Nähe der Stelle, die ich mir als Pissoir auserkoren hatte. Es war offensichtlich dass ich einen Eingeborenen angepinkelt hatte, der dort  - das Haupt auf seinen Gebetsteppich gebettet - einen nächlichen Schlafplatz gefunden zu haben glaugte. Er war wohl auch nicht alleine, denn 2 weitere Gestalten tauchten aus der Dunkelheit auf.

Mir wurde blitzartig die Bedrohlichkeit der Situation bewusst und so entschloss ich mich augenblicklich zur Flucht. So schnell ich konnte rannte ich zu unserem Schiff, die Gangway hoch, an unsererem verdutzten Wachmann vorbei und ab in meine Kammer. Die mich verfolgende Meute wurde erfolgreich vom Wache schiebenden Matrosen aufgehalten und es setzte ein lang anhaltendes, erregtes und lautstarkes Palaver ein. Ich hätte mit meinem Urin den Propheten beleidigt, wurde da geschimpft und zum schlagenden Beweis fuchtelte der Wortführer dem Matrosen aufgeregt mit dem eingenässten Beweisstück vor der Nase herum. Vom Lärm aufmerksam geworden betrat der  I. Steward die Bühne, ein Autorität verbreitender  und mit viel Lebenserfahrung ausgestatteter Mann. Er brachte Ruhe in die Verhandlung mit dem Endergebnis, dass dem Geschädigten  drei Riegel Kernseife zur Reinigung des Teppichs und Versöhnung des Propheten, sowie 2 Stangen Zigaretten sofort zu übergeben seien. Damit sollten dann alle Ansprüche befriedigt sein und jeder würde wieder seiner Wege gehen können. Mit dieser Lösung zeigten sich beide Parteien einverstanden. Ich hielt mich weiter im Verborgenen, um bei einem Erscheinen nicht womöglich einen weiteren Zornesausbruch zu provozieren.

Klar, dass der Steward mir sowohl die Seife als auch die Zigaretten auf die Rechnung setzte.

     + + + 

 

 

Druckversion | Sitemap
© Erhard Neumann